9
Feb
2007

"Es tut so gut, dass ich euch habe!"

Da fallen sich beide in den Arm, umschlingen sich innig und schluchzen heftig. Mir treibt es direkt die Tränen in die Augen. Meine Mutter und ihr jüngerer Bruder stehen neben dem Grab meiner Oma, haben sich gerade von ihr verabschiedet.

Meine Mutter war die ganze Zeit gefasst. Fast keine Träne floss, während sie den liebevollen Abschiedsworten des Pastors, ein persönlicher Freund der Familie, zuhörte. Ich saß nur wenige Plätze weiter und fragte mich, ob ich so stark sein könne, wenn sie einmal geht. Ich konnte es mir kaum vorstellen. "Irgendwann, irgendwann", so dachte ich, "muss doch ihre Trauer herausbrechen."

In den Arm meines Vaters eingehakt schreitet sie vor mir zu Omas letzter Ruhestätte. Meine Gedanken sind wirr. Bilder huschen vor meinem geistigen Auge vorbei. Alles ist unwirklich, war ich doch erst vor ein paar Wochen auf dem selben Friedhof zu Opas Beerdigung. Ich kann kaum glauben, dass dort vorne im Sarg auf dem Friedhofswägelchen nun meine Oma liegen soll. Meine Vorstellungskraft reicht nicht so weit. Ich versuche meine Gedanken zu sammeln, doch irgendwie zerstreue ich sie nur und trotte die Inschriften der Grabmäler lesend hinter den anderen über dem Friedhof.

Wir halten an. Ein Holzkreuz weist auf das Grab meines Opas. Diese unreale Welt wird auf einmal wieder Wirklichkeit. Ich verkrieche mich in meinem großen Schal, die Haare lass ich absichtlich wild in mein Gesicht hängen, damit keiner meiner Augen sieht, will ich doch plötzlich mit meinem Kummer allein sein.
Ich sehe dieses ausgegrabenen Schacht vor mir und höre wieder die Worte des Pastors, der auch ab und zu mit dem Kloß im Hals zu kämpfen hat. Er schüttet ein Schippchen voll Erde auf den Sarg. "Klack, klack." nehme ich vereinzelnd Steine wahr.

Und dann tritt meine Mutter nach vorne. Sie steht immer noch als starke, reife Frau vor dem Grab ihrer Mutter, doch mir wird in diesem Augenblick bewußt, wie viel sie heute gehen lassen muss. Ich weiß, dass sie ihre Eltern sehr geliebt hat und plötzlich ergreift mich ihr Schmerz.
Mein Onkel tritt auch an das Grab. Für ihn geht seine "Mutti" - wie er sie immer liebevoll nannte - viel zu früh. Er war das Nesthäkchen der Familie. Oma war immer voller Sorge um ihn, hat ihn viel zu sehr bemuttert, und die beiden wußten sich sehr gut deswegen zu zanken.
In diesem Augenblick am Grab tut er mir unendlich leid. Wie gerne hätte er wahrscheinlich noch seiner Mutter die eigenen Kinder gezeigt.

Er wendet sich vom Grab ab und wendet sich meiner Mutter zu. Sie fallen sich um den Hals und mit einem Mal schüttelt es sie beide. Riesiger Kummer bricht heraus. Ich höre das laute Schluchzen meiner Mutter. Ich kann nur erahnen, was sie gerade fühlt. So viel haben beide in den letzten Wochen verloren: Eltern, die wirklich zu ihren Kindern gehalten haben.

Als ich zu meiner Mutter komme, seh ich in ihr Tränen überströmtes Gesicht. Ich möchte ihr den Schmerz wegnehmen, ihr einen Halt geben und so drücke ich sie fest. Ganz nah an meinem Ohr spricht sie:
"Es tut so gut, dass ich euch habe, dass ihr hier seid und ich nicht allein bin."
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